ANDREA GUBITZ | Heimat-Photographie

Ich sehe was, was Du nicht siehst

ANDREA GUBITZ – Heimatphotographie

Vom Platz der Republik zum Hellerhof: ein Photospaziergang in Frankfurt

Vom Platz der Republik zum Hellerhof: ein Photospaziergang in Frankfurt

Inhaltsverzeichnis

Der Weg ist das Ziel

Photospaziergänge sind eine sehr angenehme und abwechslungsreiche Art, eine Stadt richtig kennenzulernen und dabei noch gute Bilder zu machen. Das Auge einer Photographin schaut halt genauer hin. Wichtig ist außerdem, sich an den ausgewählten Standorten viel Zeit zu nehmen. Zwischendurch ein Käffchen, das kann die Kreativität beflügeln und die Hände aufwärmen.

Anlaß für den hier beschriebenen Photospaziergang war die ehemalige Verwaltungszentrale der Deutschen Bahn im Gallusviertel. Obwohl erst Angang der neunziger Jahr nach Entwürfen von Stephan Böhm gebaut, ist es ein vortreffliches Beispiel für den Baustil des Brutalismus in Frankfurt. Und es gibt eine gute Nachricht: Es soll saniert werden.

Ist man schon mal unterwegs, so lohnt es, auch andere Photospots in einen längeren Spaziergang einzubeziehen. Hierbei kann eine Aufzeichnung des Weges, garniert mit ein paar Smartphoneaufnahmen, für andere interessant und für einen selbst eine hilfreiche Gedächnisstütze sein.

Los geht es am Platz der Republik

Als Ausgangspunkt meines Spaziergangs habe ich den Platz der Republik ausgewählt, der sich wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt befindet. Interessant ist hier vor allem eine Skulptur aus vielen Edelstahlstäben, die sich wie ein Fächer über eine Fußgängerbrücke spreizen. Das Werk stammt vom spanischen Bildhauer Andreu Alfaros und heißt „Die Welt“.

Diese Skulptur ist eines der beliebtesten Photomotive in Frankfurt. Ich selbst war auch schon des öfteren dort. Daher habe ich nach einer besonderen Perspektive gesucht. Der herbstlich rote Schlitzahorn kam da gerade recht, bildet er doch einen ausdrucksstarken Kontrast zu dem kühlen Stahl. Die Farbe wurde durch das HDR noch verstärkt; hier hätte allerdings auch eine Einzelbelichtung ihren Zweck erfüllt.

Nicht so bei dem zweiten  beliebten Motiv, dem auffliegenden Schlips vor dem Kronenhaus, dem Verwaltungsgebäude der DZ-Bank. Bei nur einer Belichtung wäre die Unterseite des Schlipses viel zu dunkel geworden.

Glühender Herbst vor kühlem Stahl: 23 mm (MFT), f 8, 1/250 sec., ISO 640, HDR aus 5 Aufnahmen
Kronenhaus mit Schlips: 14 mm (MFT), f 11, 1/400 sec., ISO 400, HDR aus 5 Aufnahmen

Kreuz und quer über das Messegelände

Nicht weit vom Platz der Republik befindet sich das Messegelände mit dem angrenzenden Europaviertel. Hier finden sich Photomotive satt.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Messegelände steht der hübsche und vor allem hohe Messeturm, ein Bürohochhaus, daß – anders als der Name es suggerieren könnte – nicht zur Frankfurter Messe gehört. Entworfen wurde das Hochhaus vom „Turmvater Jahn“, Helmut Jahn – und es steht in Wahrheit natürlich nicht schief. Photographiert habe ich vom Dachgarten der Sklyline Plaza, einem Einkaufszentrum gleich hinter der Messe. Der farbige „Teppich“ ist das Dach des Parkhauses.

Mein Hauptaugenmerk aber lag auf dem Grand Tower, Deutschland höchstem Wohnturm, 2020 fertig gestellt. Es ist nicht ganz einfach, eine ansprechende Perspektive zu finden. Schließlich bin ich an dem herzförmigen Loch im Vordach über dem Eingangsbereich hängen geblieben. Photographiert man kopfüber in luftige Höhen, so ist wieder ein HDR eine gute Idee. Sogar ein bißchen Herbststimmung läßt sich in der Häuserschlucht zwischen Grand Tower und Skyline Plaza einfangen.

Schief und schön: 12 mm (MFT), f 11, 1/250 sec., ISO 400, HDR aus 5 Aufnahmen
Grand Tower (1): 21 mm (MFT), f 10, 1/100, ISO 400, HDR aus 5 Aufnahmen
Grand Tower (3): 12 mm (MFT), f 10, 1/100 sec., ISO 400, HDR aus 5 Aufnahmen
Grand Tower (2): 12 mm (MFT), f 10, 1/100 sec., ISO 400

Später Brutalismus in Frankfurt

Nach einer kleinen Stärkung geht es entlang der Europaallee (von Frankfurtern auch gern mal Stalinallee genannt) in Richtung Gallusviertel. Hier befindet sich das ehemalige Verwaltungsgebäude der Deutschen Bahn. Es wird nach dem hessischen Denkmalschutzgesetz als Kulturdenkmal eingestuft. Obwohl erst Anfang der neunziger Jahre nach Plänen von Stephan Böhm fertiggestellt, ist es ein sehr bemerkenswertes Beispiel für den Baustil des Brutalismus. Das Gebäude ist ein Koloss  aus Sichtbeton und wird daher auch „Bahnpyramide“ genannt. Charakteristisch ist vor allem die vor die Fassade verlegte Tragstruktur aus Betonstützen.

Von den umliegenden Straßen aus ist das Bauwerk kaum als Ganzes vernünftig zu photographieren. Also sucht man sich am besten charakterische Details, z.B. Blickachsen in den Innenhof, die Verglasung des Eingangsbereichs (siehe Beitragbild), die Außenwendeltreppen und natürlich die Fassadenstruktur.

eh. Verwaltungsgebäude der Deutschen Bahn, Seitenansicht: 25 mm (MFT), f 5,6, 1/60 sec., ISO 400, HDR aus 5 Aufnahmen
eh. Verwaltungsgebäude der Deutschen Bahn, Außenwendeltreppe: 25 mm (MFT), f 5,6, 1/60 sec., ISO 400
Innenhof, eh. Verwaltungsgebäude der DB: 24 mm (MFT), f 8, 1/40, ISO 400, HDR aus 5 Aufnahmen
eh. Verwaltungsgebäude der DB, Fassade: 24 mm (MFT), f 10, 1/100 sec., ISO 400, HDR aus 5 Aufnahmen

Der Hellerhof: alt und neu

Nach so viel rohem Beton kann man sich zum Schluß noch etwas Beschauliches gönnen, nämlich die alte Hellerhofsiedlung. Sie wurde zwischen 1901 und 1904 von der von Phillip Holzmann gegründeten Hellerhof AG als Arbeitersiedlung im Stil der Gründerzeit erbaut. Noch heute strahlen die herausgeputzten, zweifarbigen Backsteinfassaden etwas Heimeliges aus.

Weitaus bekannter ist die Neue Hellerhofsiedlung, die im Rahmen des städtischen Wohnungsbauprogramm von Ernst May in den Jahren 1929 bis 1932 gebaut wurde. Es ist die letzte Siedlung, die im Rahmen des Städtebauprogramms  Das Neue Frankfurt entstanden ist. Architekt war aber nicht Ernst May selbst, sondern Mart Stam. Ernst May war ab 1930 schon nicht mehr in Frankfurt. Die Entstehung der sogenannten Ernst-May-Siedlungen in Frankfurt ist ein eigenes, sehr spannendes Stück deutscher Architekturgeschichte. Die Siedlungen laden ebenfalls zu ausgiebigen Photospaziergängen ein, aber das ist eine anderes Thema.

Alte Hellerhofsiedlung: 34 mm (MFT), f 5,6, 1/30, ISO 400
Neue Hellerhofsiedlung, Arkadenhaus: 22 mm (MFT), f 6,3, 1/50 sec., ISO 400
Neue Hellerhofsiedlung, Detail: 38 mm (MFT), f 8, 1/25 sec. ISO 400

Was kann man von einem Photospaziergang erwarten - und was nicht?

Ein Photospaziergang ist eine gute Gelegenheit, Orte zu erkunden, die man nicht gut kennt, oder Wohlbekanntes noch einmal photographisch aufzuarbeiten. Ein paar Gedanken im Vorfeld sind hilfreich: Wie wird das Wetter sein, wie die Lichtverhältnisse, gibt es jahreszeitliche Besonderheiten wie blühende Bäume oder herbstliche Farben.

Die Ausrüstung sollte so vollständig wie nötig und so leicht wie möglich sein. Eine kleine Kamera (z.B. eine MFT-Kamera) mit einem Zoombereich von Weitwinkel bis zur moderaten Telebrennweite ist hier empfehlenswert. Ein leichtes Stativ ist ebenfalls eine gute Idee, vor allem, wenn auch in der Dämmerung photographiert werden soll. 

Steht der Tag fest, so muß man die Lichtverhältnisse so nehmen wie sie sind. Ich bin an einem trüben Novembertag auf Tour gegangen. Das bedeutet: wenig Kontraste und ein „langweiliger“ Himmel. Bei Architektutaufnahmen ist das aber sogar eher ein Vorteil, da schon die Bauten reichhaltige Strukturen aufweisen.

Auch wenn dies nicht immer nötig ist, so mache ich doch gern Belichtungsreihen, in der Regel fünf Aufnahmen mit einem Abstand von je einem Lichtwert. So kann man sich später immer noch zwischen einer Einzelbelichtung, vielleicht sogar einer gezielten Unter- oder Überbelichtung, oder einem HDR entscheiden. Bei einer flotten Kamera mit guter Sensorstabilisierung läßt sich die Belichtungreihe problemlos aus der Hand photographieren. Ein willkommener Nebeneffekt eines HDR ist das gegenüber der Einzelbelichtung reduzierte Bildrauschen.

Bei einem Photospaziergang ist es ein bißchen so wie in der Reisephotographie: Manche Bilder haben eher einen dokumentarischen Wert, andere wiederum sind ganz nett, aber auch nicht mehr, und ein oder zwei gefallen einem richtig gut. Wer es perfekt haben will, sollte auf einen längeren Spaziergang verzichten und sich ganz auf einen Standort konzentrieren.

2 Gedanken zu „Vom Platz der Republik zum Hellerhof: ein Photospaziergang in Frankfurt“

  1. Liebe Andrea,
    der Blog „Vom Platz der Republik zum Hellerhof: ein Photospaziergang in Frankfurt“ ist wie schon die früheren Blogs sehr gut strukturiert und mit vielen wertvollen Infos gespickt. Besonders den Link zu komoot fand ich sehr hilfreich. So kann man ohne großes Nachschlagen gleich sehen, wo Du fotografiert hast.
    Viele Grüße
    CH

    Antworten

Schreibe einen Kommentar