Siedlungen in Frankfurt (1):
die Römerstadt
Inhalt
Auf dem Weg zum UNESCO-Weltkulturerbe
Wenn es um moderne Architektur geht, so hat Frankfurt einiges zu bieten: Eine in Deutschland einzigartige Skyline oder das Europaviertel rund um die Messe, um nur zwei Beispiele zu nennen. Weniger bekannt ist aber, daß Frankfurt auch eine Stadt des Siedlungsbaus ist, und dieser ist eng mit dem Namen Ernst May verknüpft. Beeinflußt durch die Ideen des Bauhauses wurde gebaut, und zwar viel: Ab 1925 sind in wenigen Jahren ca. 20 Siedlungen bzw. ca. 12000 Wohnungen entstanden, dringend benötigter Wohnraum in einer rasch wachsenden Stadt. Einerseits stand auch hier das Konzept der Gartenstadt Pate, andererseits wurde das Konzept der Typisierung und des Bauens in Serie stringent umgesetzt, um möglichst viel bezahlbaren Wohnraum in kurzer Zeit fertig zu stellen. Diese Bauweise erhielt die Bezeichnung „Das Neue Frankfurt“. Um den Bürgern den neuen Baustil näherzubringen, gab es sogar eine gleichnamige Zeitschrift.
Eine der bemerkenswertesten Siedlungen dieser Epoche ist die Römerstadt. Sie entstand 1927/28 auf einem Gebiet rechts der Nidda im Stadtteil Heddernheim; dort gab es bereits zur Römerzeit eine kleine Stadt namens Nida. Da die Baukosten dann doch höher ausfielen als ursprünglich geplant, paßten die Mieten eher in das Budget der Mittelschicht. Nun soll, geht es nach den Wünschen des Landes Hessen, die Römerstadt zusammen mit der Siedlung Höhenblick Weltkulturerbe werden. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Reihenhäuser: klein, aber fein
In der Römerstadt entstanden überwiegend Reihenhäuser, aber auch einige Mehrfamilienhäuser als Randbebauung. Gemäß den Vorstellungen des „Neuen Bauens“ haben die Gebäude Flachdächer. Das Flachdach war wohl das am strittigsten diskutierte Bauelement, für das es – gerade in Deutschland – zunächst wenig Freunde gab. Zum Haus gehörte ein Garten, der eine Teilselbstversorgung sicherstellen sollte. Die Häuser waren ohne Schnickschnack für den „Neuen Menschen“ konzipiert. Alles folgte strengen funktionalen Abläufen, alles Dekorative war verpönt. Das sahen und sehen allerdings nicht alle Bewohner genauso, wie im letzten Photo der nachfolgenden Serie deutlich wird. Man wollte Arbeitern wie Angestellten gesundes und bezahlbares Wohnen ermöglichen, zur damaligen Zeit eine revolutionäre Vision. Die Römerstadt war die erste vollelektrifizierte Siedlung in Frankfurt.
Im Ernst-May-Haus
Wer sich einen guten Eindruck von dem Lebensgefühl in einem Reihenhaus machen möchte, dem sei ein Besuch des Ernst-May-Hauses empfohlen. Mit viel Liebe zum Detail hat hier die Ernst-May-Gesellschaft ein Musterhaus eingerichtet.
Die Frankfurter Küche
Mit vier Zimmern und einer Kammer bot das Haus auf 88 qm einer mehrköpfigen Familie bequem Platz, jedenfalls, wenn sie sich mit den speziell für diese Art Häuser konzipierten Möbeln einrichtete.
Das innovative Schmuckstück des Hauses ist die Frankfurter Küche, 1926 entworfen von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Es handelt sich um die Urmutter aller Einbauküchen, und sie paßte auf 6,5 qm. In fünf Jahren wurde sie 10.000-mal in Serie produziert. Sie ist – auf einen Nenner gebracht – klein und funktional. Bis auf einen Geschirrspüler und einen Kühlschrank fehlte es auch aus heutiger Sicht an nichts. Berühmt geworden sind das abklappbare Bügelbrett und die Schneidebretter, die genau auf die Spülbecken paßten.
Mehrfamilienhäuser
An der Rändern der Römerstadt entstanden auch einige Mehrfamilienhäuser. Das wohl bekannteste ist ein leicht gerundeter Kopfbau mit markanten Fenstern und Dachterassen direkt an der heutigen U-Bahnhaltestelle „Römerstadt“. Hier waren nicht nur Wohnungen, sondern auch Geschäfte vorgesehen. Die Nutzung hat sich bis heute nicht verändert.
Nach Süden zur Nidda hin schließt die Römerstadt mit einer Betonmauer ab, die durch Bastionen aufgelockert wurde. Dieser Bauabschluß erinnert an eine Festung; dabei stand wohl die römische Siedlung Pate, oder nicht? Auch hier befinden sich markante abgerundete Mehrfamilienhäuser mit Blick in das Niddatal. Auf der Nordseite der Römerstadt gibt es Häuser mit den typischen Glasvorbauten vor den Treppenhäusern.
Römerstadt: Wohnen im Grünen
Bei einem Spaziergang durch die Römerstadt, vor allem durch die Gartenwege, fällt sofort die idyllische Ruhe auf. Frankfurter Großstadthektik ist hier ausgesperrt. Ein bißchen schade ist es, daß die Siedlung seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die vierspurige Rosa-Luxemburg-Straße in zwei Hälften geteilt ist.
Die Römerstadt steht, wie auch andere Ernst-May-Siedlungen, unter Denkmalschutz. Daher wird, was die äußere Gestaltung der Häuser angeht, auf eine historisch original getreue Farbgebung geachtet. Folgerichtig werden vor allem die Farben ziegelrot und weiß für die Fassaden sowie blau für die Fensterrahmen zur Straßenseite verwendet.
Die Siedlungen des Neuen Frankfurt werden gern allein mit dem Namen Ernst May verknüpft. Dies ist allerdings irreführend, denn hier haben eine ganze Reihe namhafter Architekten gewirkt, in der Römerstadt beispielsweise Carl-Hermann Rudloff und Martin Elsässer (Geschwister-Scholl-Schule).
Photographisch stellt die Römerstadt keine besonderen Ansprüche an die Ausrüstung. Eine kurze Brennweite ist sehr praktisch, aber auch eine leichte Telebrennweite ist gut zu gebrauchen. Ich selbst habe überwiegend mit dem Kitobjektiv meiner Kamera (24 – 120 mm an Vollformat) gearbeitet. Außerdem kam eine 14 mm – Festbrennweite zum Einsatz. Es ist nicht immer ganz leicht, die richtige Perspektive zu finden, denn wie überall, so sind auch hier Autos im Wege.
Hat man sich erst einmal näher mit der Architektur des Neuen Frankfurt beschäftigt, so warten noch viele andere spannende Siedlungen auf einen photographischen Besuch, z.B. Zickzackhausen oder die Hellerhofsiedlung. Daher stellt dieser Beitrag den Anfang einer kleinen Serie dar.