ANDREA GUBITZ | Heimat-Photographie

Ich sehe was, was Du nicht siehst

ANDREA GUBITZ – Heimatphotographie

Siedlungen in Frankfurt (2): Der Hellerhof

Zeilenbauten, Rückseite, Panorama

Inhalt

Siedlungen in Frankfurt (2): Der Hellerhof

Der Hellerhof war ursprünglich ein befestigter Gutshof – gelegen inmitten von Feldern und an einem kleinen See im Westen von Frankfurt. Im Jahr 1453 erwarb ein Frankfurter Patrizier namens Jakob Heller das Anwesen – daher auch der Name Hellerhof. Bis ins späte 19. Jahrhundert blieb der Gutshof erhalten. Danach begann man, das Gelände für eine Bebauung zu erschließen. Das endgültige Ende des Hofs war 1902 besiegelt; die erste Siedlung entstand.

Die Hellerhofsiedlung in ihrer heutigen Form ist vor allem durch ihre Zweiteilung besonders interessant: im westlichen Teil entstand eine Arbeiterkolonie im Stil der Gründerzeit, im östlichen Teil, gut 25 Jahre später, eine Siedlung im Stil des Neuen Frankfurt, wie ihn allen voran Ernst May prägte. Altes und neues Bauen stehen sich hier unmittelbar gegenüber.

Die alte Hellerhofsiedlung

48 mm (KB), f 5,6, 1/125 sec., ISO 400
Blick durch die Häuserflucht/Gärten auf ein Gebäude der Parallelstraße
28 mm (KB), f 5,6, 1/125 sec., ISO 400
Häuserzeile entland der ...straße, Bild in schwarz-weiß
27 mm (KB), f 8, 1/125 sec., ISO 400

Im Jahr 1902 wurde von der Stadt Frankfurt und dem Bauunternehmen Philipp Holzmann die Hellerhof AG gegründet. Letztere erbaute bis 1904 die „Arbeitercolonie am östlichen Taunusbahndamm“, heute als „Alte Hellerhofsiedlung“ bekannt. Es entstanden 73 freistehende Doppelhäuser

mit jeweils 12 Kleinwohnungen für Industriearbeiter aus dem Gallus. Die spitzgiebeligen Häuser sind mit zwei- oder sogar dreifarbigem Blendsteinmauerwerk verkleidet, jedes Haus ein bißchen anders. Die Bauten sind in einem sehr guten Zustand.

Die alte Hellerhofsiedlung ist eine der schönsten Quartiere in Fankfurt. Spaziert man durch die Straßen und sieht über die Autos hinweg, so fühlt man sich in eine frühere Zeit versetzt. Umso erstaunlicher ist es, daß sich im weltweiten Netz nur sehr wenig Informationen darüber finden.

Die neue Hellerhofsiedlung

Ein Grund hierfür ist die „Neue Hellerhofsiedlung„, die gut 25 Jahre später im Rahmen des Bauprojekts „Neues Frankfurt“ östlich der alten Siedlung entstand. Sie ist die letzte „Ernst-May-Siedlung“ und müßte eigentlich nach ihrem Architekten „Mart-Stam-Siedlung“ heißen.

Mart Stam hatte viel Erfahrung über das Bauen von Trabanten- städten aus den Niederlanden mitgebracht und war auch einige Zeit am Bauhaus tätig. Im Hellerhof sollte realisiert werden, was in anderen May-Siedlungen, z.B. der Römerstadt, nicht gelang: „bezahlbaren“ Wohnraum für Arbeiter zu schaffen. Der finanziellen Rahmen mußte gegenüber früheren Projekten des „Neuen Frankfurt“ deutlich enger gesetzt werden. Es entstanden fast 1200 kleine Wohnungen, ausgestattet mit einer Sitzbadewanne und einer abgespeckten Version der Frankfurter Küche.

Im Gegensatz zur Römerstadt wurden in der Hellerhofsiedlung nur Mehrfamilienhäuser gebaut. Die einzelnen Gebäuderiegel, die durch breite Grünstreifen getrennt sind, sind von Norden nach Süden ausgerichtet, so daß man im Wohnzimmer oder auf dem Balkon die Nachmittagssonne genießen kann. Hinter den hohen Fensterbändern an der Straßenansicht verbergen sich Nutz- und Schlafräume. Da die Monatsmiete dieser Wohnungen den Wochenlohn eines Arbeiters nicht überschreiten sollte, waren sie nicht nur bescheiden ausgestattet, sondern auch entsprechend klein: Auf 35 qm lebte eine vier- bis fünfköpfige Familie.

Besonders bemerkenswert sind die Laubenganghäuser an der Frankenallee, die allerdings nur noch zum Teil im Original erhalten sind. Das Erdgeschoß war für Geschäfte und Läden des täglichen Bedarfs vorgesehen, der Zugang zu den Wohnungen in ersten Stock erfolgt auch heute noch über eine Außentreppe und einen Laubengang.

Einige Hinweise zur Architekturphotographie

Architektur zu photographieren ist oft eine kniffelige Angelegenheit und erlaubt weniger Spielraum für die eigene Kreativität als andere Genres. Sowohl das Gebäude selbst als auch der Platz drumherum sind vorgegeben. Das „Model“ ist also etwas sperrig. Außerdem sind manche Bewohner einer Siedlung nicht begeistert, wenn ihre Häuser oder gar sie selbst abgelichet werden. Grundsätzlich darf photographiert werden, was vom öffentichen Raum aus zu sehen ist (Panoramafreiheit). Hilfsmittel oder ein starkes Teleobjektiv sind schon nicht mehr erlaubt. Letzteres und eine Leiter könnt ihr also getrost zu Hause lassen, jedenfalls, wenn die Aufnahmen veröffentlicht werden sollen, so wie hier. Womit wir auch schon bei Tipp Nummer 1 sind:

Technische Hinweise

  1. Leichte Ausrüstung: eine Kamera, ein Objektiv – möglichst ein Zoom mit ca. 24 bis 120 mm (KB) Brennweite – und eventuell ein leichtes Stativ, mehr braucht es nicht. Die Lichtstärke ist nicht wichtig, da man meistens sowieso abblendet, um genügend Tiefenschärfe zu erreichen. Ich nehme inzwischen immer öfter eine Kamera mit MFT-Sensor mit. Sind spiegelnde Fenster im Spiel, dann lohnt es sich, einen Polfilter einzupacken. Damit läßt sich das Ausmaß des Durchblicks gut kontrollieren.
  2. Stürzende Linien, ein heiß diskutiertes Thema: Meistens lassen sie sich nicht vermeiden. Im weltweiten Netz finden sich wahre Massen von Ratschlägen, wie ein Bild ausgerichtet werden kann. Ob das immer so nötig ist, sei ‚mal dahingestellt; will man diese Option aber haben, so sollte um das Motiv reichlich Platz gelassen werden, um unerwünschten Beschnitt zu vermeiden. Mit dem Geraderücken darf man es aber keinesfalls übertreiben, denn zu stark begradigte Bilder sehen oft sehr verzerrt aus.
  3. Leichte Überbelichtung: Ich persönlich mag gern leicht überbelichtete Aufnahmen von Gebäuden, da sie dann „luftiger“ wirken. Außerdem läßt sich eine Überbelichtung leichter korrigieren als eine Unterbelichtung. Ein Blick auf das Histogramm hilft, ausgefressene Stellen zu vermeiden.

Gestalterische Hinweise

  1. Wetter und Jahreszeit: Architektur geht bei jedem Wetter! Auch der schöne Spruch „Zwischen Elf und Drei hat der Photograph frei“ gilt hier nicht. Im gleißenden Sonnenlicht lassen sich tolle, kontrastreiche Aufnahmen machen. Außerdem sollte man immer eine mögliche Schwarzweiß-Umwandlung im Hinterkopf haben. In der Architekturphotographie geht es oft um Linien und Formen, da kann Farbe durchaus ablenkend sein. Aber auch „Schietwedder“ hat seinen Reiz, vor allem, wenn nasses Kopfsteinpflaster einbezogen werden kann. Eine geeignete Jahreszeit ist der Winter oder das frühe Frühjahr, wenn die Bäume wenig oder kein Laub tragen. Dieser Aspekt ist vor allem in Siedlungen zu bedenken, da die schönen, alten Straßenbäume die Sicht auf ein Gebäude stark verdecken können.
  2. Details: Die Ablichtung eines ganzen Gebäudes hat oft eher dokumentarischen Charakter. Typische Details sind meist das spannendere Motiv: Fenster und Türen, Treppen, Balkone, sogar Schäden im Putz oder Mauerwerk können attraktive, gar abstrakte Bilder liefern. Genau hinschauen ist gefordert. Außerdem ist hier das leidige Thema „Autos“ vom Tisch.

Praktische Hinweise

  1. Zurückgelegten Weg aufzeichnen: Nicht selten kommt man bei der Sichtung der Aufnahmen des Tages zu dem Ergebnis, daß man das ein oder andere Photo hätte besser machen können, oder man möchte fehlende Motive ergänzen. Um eine genaue Stelle bei einer zweiten Tour schnell wiederzufinden, hilft es mir, den Weg mit einer Wander-App, in die ich ein paar Handybilder einfüge, aufzuzeichnen.
  2. Gute Schuhe: Architekturphotographie heißt Pflastertreten, und das oft über viele Kilometer.

Anfahrt: Straßenbahnen 11 und 21, S-Bahn S3, S4, S5, S6, Anfahrt mit dem Auto ist nicht zu empfehlen.

2 Gedanken zu „Siedlungen in Frankfurt (2): Der Hellerhof“

  1. Liebe Andrea,
    das war ein sehr schöner und vor allem sehr informativer Spaziergang durch die alte und neue Hellerhof-Siedlung. Wie Du schreibst, „war der Hellerhof „ursprünglich ein befestigter Gutshof – gelegen inmitten von Feldern und an einem kleinen See im Westen von Frankfurt.“

    Nun soll es mal wieder einen neuen Stadtteil in Frankfurt geben. Die Stadt plant zwischen der Nordweststadt, Praunheim und den Nachbargemeinden Steinbach und Weißkirchen eine Siedlung. OB-Kandidat Mike Josef (SPD) will dort die „Josefstadt“ errichten (lassen). Dazu müssten große Acker- und Grünflächen zubetoniert werden. Durch das Gebiet führt nicht nur eine Autobahn, sondern auch eine Hochspannungsleitung.

    Nach einem Veto der Nachbargemeinden Steinbach, Oberursel und Eschborn sollen jetzt wohl nur noch auf der östlichen Seite der Autobahn Wohnungen gebaut werden, dafür soll die Stromtrasse nach Westen verlegt werden und die Gebäude sollen dichter stehen und höher werden. Die Frischluftzufuhr nach Frankfurt würde damit noch „effektiver“ abgeblockt. Die Temperatur in einigen Wohnquartieren könnte um 2,8 Grad steigen. Wie viele Hitzetote nimmt Mike Josef da als Kollateralschäden billigend in Kauf?

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    • Liebe Karl-Heinz,

      ich verstehe es auch nicht, warum so eine dicht besiedelte Stadt wie Frankfurt noch mehr zugebaut werden muß, und das im Zeitalter von Homeoffice. Ein Aspekt, der gern unter den Teppich gekehrt wird, ist die für eine Großstadt zu hohe Nachfrage nach Wohnfläche.

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