ANDREA GUBITZ | Heimat-Photographie

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ANDREA GUBITZ – Heimatphotographie

Wir machen in Blau: Cyanotypie

Wir machen in Blau: Cyanotypie

Inhaltsverzeichnis

Cyanotypie: Eine Reise zu den Anfängen der Photographie

Wer sich zur Zeit im Internet die gängigen photographischen Themen anschaut, der kommt an KI nicht vorbei. Gleichzeitig gewinnt die analoge Photographie mit ihren verschiedenen handwerklichen Facetten immer mehr Anhänger. Eine der photographischen Urmethoden ist der Blaueisendruck oder Cyanotypie, bei der – vereinfacht ausgedrückt – ein Kontaktabzug auf einem lichtempfindlich gemachten Papier hergestellt wird. Die vollständig belichteteten Teile des Abzugs erstrahlen in Preußisch Blau, die abgedeckten Bereiche je nach Dichtigkeit des Objekts hellblau bis weiß bzw. in der Farbe des Papieruntergrunds.

Das Verfahren wurde 1842 von dem englischen Naturwissenschaftler John Herschel entwickelt. Die englische Botanikerin Anna Atkins verhalf dem Verfahren zum Durchbruch. Sie nutzte die Cyanotypie zur Ablichtung von Pflanzen. Sie gilt als erste Photographin, berühmt ist ihr (Photo-) Buch „British Algae: Cyanotype Impressions“ aus dem Jahr 1843. Das Verfahren wurde bis weit ins 20. Jahrhundert auch genutzt, um Architektur- und Konstruktionspläne zu vervielfältigen. Noch heute sprechen wir daher von einer Blaupause.

In der heutigen Zeit ist die Cyanotypie vor allem als Edeldruckverfahren in der Kunst beliebt, siehe z.B. die Bilder von Simone Kessler. Hinzu kommt die Möglichkeit, aus digitalen Photos ein kontraststarkes Negativ herzustellen, um hiermit einen Abzug zu machen.

Auf den Spuren von Anna Atkins

Um das Verfahren erst einmal zu lernen, bietet es sich an, auf den Spuren von Anna Atkins zu wandeln. Ich habe mir für den Einstieg einen Wochenend-Workshop bei der Künstlerin Martina della Valle im Fotoforum Frankfurt gegönnt. Zwar gibt es auch jede Menge Anleitungen im Netz, doch viele davon sind unvollständig oder zu speziell.

Gebraucht wird -neben den Motiven –

  1. ein saugfähiges Paper, das sich beim Wässern nicht auflöst, Aquarellpapier ist dafür sehr gut geignet,
  2. die chemische Lösung,
  3. ein Pinsel,
  4. viel Zeitungspapier zum Abdecken,
  5. ein Becken zum Wässern,
  6. UV-Licht, z.B. die Sonne.

Um die Lösung (Rezept siehe rechts) herzustellen, ist eine digitale Küchenwaage praktisch, eine Briefwaage tut es aber auch.

Das Rezept für die Lösung:

20 g Ammoniumeisen(III)-Citrat, oft vereinfacht Komponente A genannt, aufgelöst in 100 ml Wasser

10 g Kaliumferricyanid, oft vereinfacht Komponente B genannt, aufgelöst in 100 ml Wasser.

Vorbereitungen am Vortag

Schüttet man die beiden Komponenten zusammen, so erhält man die UV-Licht empfindliche Lösung, d.h. die Herstellung der Lösung und der Auftrag auf das Papier sollten in einem abgedunkeltem Raum stattfinden. Um gleichwohl etwas zu sehen, eignen sich künstliche Lichtquellen mit geringem UV-Anteil. Ich habe z.B. in einem Kellerraum das Fenster zugehängt, im Nachbarraum Licht angemacht und die Tür einen Spalt geöffnet – es hat geklappt! Die eingestrichenen Papiere habe ich in einem völlig abgedunkelten Raum über Nacht liegend trocknen lassen und am nächsten Morgen lichtdicht verpackt. Da ich keine schwarzen Folientüten hatte, habe ich zwei dicke Pappumschläge ineinander gesteckt. Das funktioniert, wenn man die Papiere nicht allzu lange aufheben will. Zwei, drei Tage waren aber kein Problem.

Achtung! Von der Lösung wird sehr wenig gebraucht. Man kann die Lösung in einer lichtdichten Flasche im Kühlschrank ein paar Wochen aufheben und immer nur sehr kleine Portionen benutzen. Man sollte aber übrig gebliebene Lösung nicht wieder zurückschütten. Am besten ist es, gar nicht so viel anzusetzten und auch die präparierten Papiere rasch zu verbrauchen. 

Das blaue Wunder beginnt

Wenn am nächsten Morgen die Sonne lacht, kann es losgehen. Wiederum im abgedunkelten Raum werden die Objekte auf das Papier gelegt. Die präparieten Flächen lassen sich recht gut an ihrer grau-grünlichen Färbung erkennen. Am besten fixiert man Papier und Objekte in einem einfachen Klemmrahmen, damit nichts verrutscht und nichts wegfliegt. Und nun ab in den Garten. Eine Belichtungszeit von 10 bis 15 Minuten im August bei strahlenden Sonnenschein hat sich bei mir bewährt. Die belichteten Flächen erscheinen dann dunkelgrau. Danach heißt es, gründlich wässern. Ich habe das Papier zunächst abgespült und das blaue Wunder beobachtet. Im Anschluß wird gründlich gewässert (10 Minuten sind ein guter Anhaltpunkt), z.B. in einer Plastikwanne. Der Entwickler sollte möglichst vollständig aus dem Papier gewaschen werden, denn Reste hiervon dunkeln auf den nicht belichteten Stellen nach. Wer will, kann ins letzte Spülwasser etwas Wasserstoffperoxid geben, das intensiviert den Blauton.

Farbige Papiere

Am liebsten verwende ich Aquarellpapier mit einer gröberen Struktur. Aber auch mit farbigem Papier kann man experimentieren. Farben, die sich eignen, sind rosa, orange, ocker und gelb. Vor allem der Blauton auf rosafarbigem Papier gefällt mir besonders gut.

Photoabzüge: Vom Negativ zum Positiv oder umgekehrt

Mein eigentliches Ziel war es, Abzüge von eigenen Photographien herzustellen. Das ist im Prinzip einfach: man wandelt die Aufnahme in der Bildbearbeitung in ein konstrastreiches Negativ und druckt dieses auf eine Folie aus. Allerdings mußte ich lernen, daß ein normaler Schwarzweiß-Laserdrucker hierfür gar nicht geeignet ist. Die schwarzen Flächen sind viel zu durchsichtig, so daß die Bilder zu dunkel werden, wie bei der Aufnahme mit dem Star zu sehen ist. Beim Bedrucken der Folien hat mir schließlich eine Druckerei in der Nachbarschaft geholfen. Mit einem Tintenstrahldrucker geht es angeblich viel besser, das habe ich aber (noch) nicht ausprobiert.

Das Photo entsteht als Kontaktabzug auf dem Papier. Die Bilder lassen sich sowohl als Positiv als auch als Negativ erstellen. Den weißen Rahmen in mittleren Bild habe ich in Bildbearbeitung hinzugefügt, aber auch aus schwarzem Photokarton ausgeschnittene Rahmen sind ein nützliches Hilfsmittel. Dasselbe Photo ist rechts als Negativ ausgearbeitet. Vorsicht geboten ist auch bei einem Bokeh: Was auf der Farbphotographie hübsch anzusehen ist, wirkt auf dem Blaudruck fleckig (siehe rechts).

Negativ mit Laserdrucker erstellt, führt zu Überbelichtung
Amsel, Positivdruck

Mixed Media

Das Arbeiten mit Ebenen ist uns aus der Bildbearbeitung wohl bekannt, sie ist aber keineswegs neu. In der Cyanotypie kann man unterschiedliche Gegenstände miteinander kombinieren. Der Vogel vor dem Nachthimmel ist ein Negativ, rechts oben in der Ecke ragt eine Feder ins Bild, und der Sternenhimmel besteht aus den feinen Samen einer Nachtkerze.

Eine Fülle von kreativen Ideen läßt sich auch schon mit dem Auftrag der Entwicklerlösung erzielen. Im Beitragsbild ganz oben wurden nur Teile des Papiers eingestrichen, um den Pinselstrich sichtbar zu machen. Im Bild rechts oben habe ich versucht, mit sechs einigermaßen gleichmäßigen Quadraten ein Tableau für verschiedene Medien zu erstellen. Hier sind ein Negativ, zwei Federn und drei Pflanzen kombiniert.

7 Tipps für gelungene Cyanotypien

  1. Cyanotypie ist wie eine kreative Reise in die Vergangenheit. Hierfür sollte man sich Zeit nehmen. Bei der Terminplanung hilft eine Wetter-App, die auch Aufschluß über die UV-Strahlung gibt.
  2. Nicht zu viele Bilder an einem Tag planen. Cyanotypie kann eine Leidenschaft werden, so daß man gar nicht aufhören mag. Doch nicht alle Ideen und Experimente führen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis – Innehalten tut da gut.
  3. Jedes Bild ist ein Unikat. Da aber die Objekte in der Regel beim Druck nicht beschädigt werden, kann man sie häufiger nutzen. Das ist vor allem bei Photos interessant. Es lohnt sich, mit einem Motiv so lange zu arbeiten, bis man richtig zufrieden ist.
  4. Cyanotypie ist nicht teuer. Die Chemikalien gibt es als Pulver im einschlägigen Handel für Künstlerbedarf, Wasserstoffperoxid in der Apotheke. Die Lösung ist nicht giftig, etwaige Reste können in stark verdünnter Form weggeschüttet werden, oder besser noch, auf Zeitungspapier verteilen, eintrocknen lassen und im Hausmüll entsorgen.
  5. Die Lösung gibt es auch fertig gemischt. Darin sehe ich allerdings keinen Vorteil, denn das Ansetzen geht recht schnell. Und bei dem Mischungsverhältnis muß man es auch nicht so genau nehmen. Außerdem ist das Pulver deutlich länger haltbar.
  6. Sogar fertig präparierte Papiere gibt es im Handel. Das verkürzt das Verfahren erheblich, schränkt aber auch die Kreativität stark ein. Bilder mit einem nicht flächendeckenden Aufstrich sind dann beispielsweie gar nicht möglich. Außerdem ist die Wahl der Papierqualitäten begrenzt.
  7. Cyanotypie bei jedem Wetter ist mit einer UV-Lampe möglich. Vielleicht hat ja jemand noch einen Gesichtsbräuner irgendwo herum liegen. Ansonsten sind sogenannte Schwarzlichter im Handel erhältlich. Sie kosten ca. 50 € und hübschen vielleicht auch die nächste Party auf.

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